... singen ist Glückssache

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Kategorien: Allgemein,ttc 2013

Logbuch: Trivial Pursuit. Eine Reise des Lernens

Es ist Nachmittag, Nachmittag in Tübingen – der Station 3 des ambitionierten Tagesprogramms. Und Tübingen gibt sich wie immer alle Mühe, zu gefallen. Wie auf Gebet und Gebot wird die Stadt in goldenes Sonnenlicht getaucht, just als die Bustür sich öffnet. Buchstäblich auf Knopfdruck also – und das, obwohl es den ganzen Tag und Weg bis hierhin geregnet hat. Aber Wetter ist wohl nicht gleich Wetter. Man lernt nie aus.

Auch die obligatorische Stocherkahnfahrt knüpft an diese Erhellung an. In fünf vollbesetzten Barken treibt die Gesellschaft vorbei an Hölderlinturm, Burse und Hochwasserspuren, den Neckar hinan und hinab, und durchbricht die königliche Gediegenheit einzig für eine spontan angestimmte „Holy Ghost Party“ in einem außergewöhnlichen Resonanzraum: unter der Neckarbrücke. Auf der Rückfahrt wagen sich auch die Chormitglieder, darunter Dirigenten, die Steuerstocherstange in die Hand zu nehmen. Dieser Tag steht noch eindeutiger als die anderen im Zeichen des Lernens, des Voneinander-Lernens.

Man lernt weiterhin: das deutsche Straßenbild steht in der Kritik. Ein Chilene erzählt, es sei wirklich gewöhnungsbedürftig, hier durch die Straßen zu laufen und so in die Gesichter zu gucken: Die meisten seien schon irgendwie düster unterwegs. Man lernt aber auch: schwäbisch-herzliche Gastfreundlichkeit lässt diesen Eindruck schnell vergessen. Bei Station 2 des Tages, der „Ponderosa“-Ranch in Waldenbucher Alm-Idylle, haben die lokalen Chormitglieder ein Flamkuchen-Barbecue auf die Beine gestellt, das so gut ist, dass es einen aus den Schuhen haut. Waldenbuch selbst zeigt sich zwar am Vormittag klimatisch problematisch, präsentiert sich aber mit Station 1 der Fahrt von der Schokoladenseite: im ‚Ritter Sport‘-Fabrikverkauf zeigt sich, dass Kakaoträume verbinden. Erinnerungen an ‚Charlie und die Schokoladenfabrik‘ werden wach.

Und nun zu den Trivia: Ein anderer Charlie, genauer: Prince Charles, ist Inhaber des angesehenen Hosenbandordens, dessen Wahlspruch „Honi soit qui mal y pense“ sich auch am Tübinger Schloss wiederfindet – so lernt man bei der Stadtführung. Und es schließt sich der Kreis… der Tag wird zur Ganzeitserfahrung. Reise ist eben immer auch Bildungsreise. Und gleich weiterlernen: zum Beispiel über die Vielfalt an Nationalitäten, die im Projekt vertreten sind: Chilenen, die wegen ihrer Abstammung noch fließend Deutsch beherrschen, sind ebenso vertreten wie Brasilianer – oder Schweizer, bei denen manchmal der Weg erst von Jamaika über Birmingham und Miami nach St. Gallen geführt hat. Galle kann man übrigens problemlos komplett aus dem menschlichen Körper entfernen. Und Sandwich ist nicht gleich Burger. So wenig eben, wie Chilene gleich Chilene, Schweizer gleich Schweizer oder Deutscher gleich Deutscher ist.

Bei all dem geht es natürlich um mehr als nur belangloses Wissen. Die ständige Konfrontation mit einem halben Tausend anderen Menschen lehrt einiges, darunter auch ein Stück Leben, „living the good life“. Davon sind hier die meisten überzeugt.

 

Im Bild: Alles hat seine Zeit

 

Hinter den Kulissen: Groove. Gemeinschaft. Gesamtkunstwerk.

 

Andreas, du bist Pianist im St. Gallener Gospel im Centrum. Wann und wie kamst du eigentlich darauf, gerade Gospelmusik zu machen? 

Das hat mit einer gemeinsamen Sommertournee von verschiedenen Gospelchören und Musikern angefangen. Dort tauchte auch Tom auf, der als Chorleiter auf der gleichen Tour wie ich eingeteilt war. Das ist jetzt über zwanzig Jahre her. Und da war ganz schnell eine große Liebe zu dieser Musik da, bei der ich mich sofort sehr, sehr wohl gefühlt habe.

 

Was hat dich an Gospel gegenüber anderer Musik so gekickt? 

Das frage ich mich bis heute… Was mich nach wie vor fasziniert, ist der Groove, gepaart mit einer ganz extremen Dynamik: Ein ganz lauter Ton ist direkt neben einem ganz leisen. Es geht hin und her und ist ganz spontan. Ja, dieses groovig-ganzheitliche Ding ist es: der ganze Körper singt und drückt damit einen Glauben aus, der von weit innen kommt. Es ist für mich ein überzeugendes Gesamtkunstwerk.

 

Du sprichst von Groove und Dynamik. Verändert Gospel Menschen auch über die Situation des Singens hinaus?

Ich glaube, bei Gospel bist du als ganzer Mensch involviert. Und ich und auch andere erleben es, dass Gospel nachschwingt. Du läufst nach der Probe herum und merkst, es groovt immer noch. Und eine Woche später kommen dir die Lieder noch immer in den Sinn. Eine weitere Stärke dieser Musik ist, dass soviel repetiert wird. Da wird ja eine Frase manchmal dreißigmal gesungen – und irgendwann kapierst du sie und fängst an, sie mit deinem Leben und deiner Person in Verbindung zu bringen: Was heißt das zum Beispiel, wenn wir singen “I like living the good life”…?!

 

Bei Gospel im Centrum seid ihr derzeit 140 Sänger. Bei TTC singen jetzt über 500. Heißt Größe auch: da geht mehr? 

Also rein musikalisch ist es – klar – einfach lauter. Und der Effekt für die Konzertbesucher ist auch anders, wenn die eine ganze Wand von Sängern vor sich haben. Aber Größe macht vor allem etwas auf der Ebene, dass es gut ist, etwas mit Leuten zu teilen. Und wenn es viel mehr Leute sind, mit denen du es teilst, hat das Gefühl von „wir sind soviele und wir erleben das alles gemeinsam” noch mehr Bedeutung.

 

Andreas ist Musiker, u.a. als Pianist von Gospel im Centrum, wo er auch die TTC-Organisation
übernommen hat. In Stuttgart singt er als „einfaches“ Chormitglied mit.
Der Schweizer ist übrigens selbsternannter „Hardliner“,
wenn es um die Sprache bei Gospelsongs geht:
„Gospel ist einfach englisch!“
Danke, Andreas.