... singen ist Glückssache

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Kategorien: Allgemein,ttc 2013

Logbuch: Lebe deinen Traum

In Chile geht gerade die Sonne auf, im Stuttgarter Osten steht sie schon hoch über dem letzten offiziellen Tag des ‚Time to celebrate‘-Projektes, als 10:30 Uhr in der Heilandskirche die Glocken zum Gospelgottesdienst läuten. Mit Auftritten des chilenischen und des Schweizer Chors, unterstützt durch die Kinder von Giolino, mit Interviews und Predigt wird die „Zeit zu feiern“ auch auf all jene ausgedehnt, die in dieser Woche keine „Insider“ waren. Vor allem aber stehen die folgenden zwei Stunden im Zeichen eines tiefen Danks – von jedermann an jedermann. „Puta Gracias!“ endet schlicht und überwältigend ein Gebet. Und weitere Statements schließen sich an:

Ich war lange Zeit berufstätig, aber jetzt habe ich Zeit und wollte mein Haus für das Projekt öffnen. Sehr bewegt hat mich der erste Tag, als unsere Gäste in der Nikolauskirche ankamen. Ihre Freude ist sofort auf alle übergeschwappt und da war eine Herzlichkeit, wie als hätten sich alle schon ewig gekannt.

Karin, Waldenbuch

 

Bei uns, als Schweizern, gab es natürlich das Vorurteil, dass die Deutschen immer das ihre für das Bestmögliche halten. Darum war ich gespannt, wie die Leute hier in ihrem Land sind. – Und war sehr, sehr positiv überrascht. Wir wurden von allen hier mit offenen Armen empfangen. Danke an alle dafür, was sie geleistet haben.

Nicole, St. Gallen

 

Als ich mich gemeldet habe, um Gäste aufzunehmen, meinte ich: schickt mir doch eine hübsche, junge Chilenin oder einen Schweizer Surferboy (um auch an meine Mitbewohnerinnen zu denken). “Bekommen” habe ich Reto [auch anwesend], einen Schweizer mittleren Alters…. Und es hat super gepasst, wir hatten eine geniale Zeit zusammen!

Christian, Stuttgart

 

Hier zu sein, ist für mich wie ein Traum. Und was ich aus dieser Woche gelernt habe, ist, dass ich mich jetzt verantwortlich fühle, meinen eigenen Träumen zu folgen – weil sie helfen können, die Träume anderer zu verwirklichen.

Carola, Santiago

 

Mit ebensoviel Überzeugung bringen Chilenen und Schweizer außerdem eigene Songs nach vorn: „I han e Freud tüüf i mim Härz“ singen die Gäste aus St. Gallen und bezeugen, dass Gospel doch nicht nur auf Englisch geht. Ebenso tief aus dem Herzen widmen die Chilenen das Abschlusslied „I need you, you need me“ von Hezekiah Walker, von dem sie sich jüngst bei einem Treffen in Santiago hatten inspirieren lassen, der gemeinsamen Woche. Und sei es im Zuge der Treffsicherheit dieser Texte, sei es in Vorahnung des bevorstehenden Projektendes, sei es im Gewahrwerden der zwischenmenschlichen Dinge, die in kurzer Zeit passiert sind, fließen hier und da Tränen.

Bei der Konzert-Stellprobe am Nachmittag im Beethovensaal der Liederhalle schwingt die Bühne. Das ist keine Metapher, sie schwingt unter Bässen und kollektivem Taktwippen tatsächlich. Doch die Gemüter sind schnell beruhigt (Denn: „Hey, die Bühne ist von 1956 und dieser Chor ist nicht der erste, den sie trägt.“ Und laut architektonischem Befund ist es „sogar gut, wenn so was schwingt“.) und man entscheidet, es als gutes Omen für einen beswingten Abend zu betrachten. Zu Recht. Das Gänsehautgefühl, so wird später noch erzählt werden, kommt auf, da ist noch kein Ton erklungen: etwa zehn Minuten dauert es, bis der Chor sich vollständig vor dem geduldig harrenden und applaudierenden Publikum (1998 Sitzende und einige Stehende) aufgebaut hat. Und wie am Abend zuvor, bilden die Sängerinnen und Sänger eben keine ferne, konzertante schwarze Wand, sondern grooven schon bald so einladend, dass bei den Songs, bei denen es darauf ankommt, es viele Besucher nicht in den Sesseln hält. Im Rhythmus und auf Zwei und Vier und nicht Eins und Drei zu klatschen, das bleibt zwar nach wie vor ein – vielleicht speziell deutsches – Lernfeld. Doch die Ansteckungsgefahr von Gospel bleibt eine – internationale – Gewissheit. Der beeindruckende Klang der 500 bis 600 Stimmen ist, unterstützt durch die Raumakustik der Liederhalle, ganz da – von der ersten Zeile „With all of me…“ bis zur dritten Zugabe. Und als TTC sich schließlich mit „Now go in peace“ verabschiedet, wird deutlich: dieses Projekt geht nicht einfach über die Bühne und wieder von der Bühne. Der Chor hört nicht auf zu singen, bis die letzte Reihe wieder den Saal verlassen hat.

Nicht aufzuhören; der Wille, es nicht bei diesem Projekt bewenden zu lassen – das liegt auch nach dem Konzert in der Luft. 22:00 Uhr muss die Schweizer Delegation zwar ziemlich eilig den Bus zurück nehmen, doch der Termin für einen Extra-Auftritt in St. Gallen steht. Und während dort also schon ein Wiedersehen in Sicht ist, weigert sich hier noch eine große, schwarz gekleidete Gruppe vor den Toren der Liederhalle, überhaupt auseinanderzugehen. Und schmiedet bei Wein und Sprachengewirr Pläne und Träume, wie das Projekt weitergetragen und -gefeiert werden könne.

 

Im Bild: Time to celebrate: Platz für alle(s)