... singen ist Glückssache

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Logbuch:  Ruhe im Kessel

Die Heilandskirche ist über die letzten acht Tage Treffpunkt und Ausgangspunkt vieler Ausflüge gewesen – gemeinsamer Entdeckungsreisen von Deutschen, Schweizern und Chilenen. In der Heilandskirche war auch der Grundstein überhaupt für die gemeinsame Chormusik gelegt worden. An anderen Stellen waren weitere Grundsteine aufgeploppt. Eine Reise hatte ihren Anfang genommen, die Menschen, Musik und Menschen in der Musik zusammenführen würde.

Heute und für das jetztige Projekt ist der Heilands-Innenhof ein weiteres und zunächst letztes Mal Anfang von Ausflug und Reise – einer Heimreise. Nachdem gestern schon ein Bus in die Schweiz abgefahren ist, tritt nun Santiago Gospel den Rückweg nach Chile an. (Zumindest zum größten Teil, ein paar machen sich noch auf nach England, Spanien oder Italien.) Das Wetter kocht auf zu einem warmen Abschied. Kofferpacken, Wiedersehen der Gastfamilien wünschen, Mittagessen im Grünen, schließlich ein gemeinsames Kaffeetrinken in der Kirche. Letzte Worte. Tom denkt nochmals an die „bestimmt knapp hundert Leute, die sich irgendwo eingesetzt haben“. Und Pfarrer Albrecht spricht einen längeren Reisesegen:

Stellt euch vor, ihr wäret Gott und seht die Erde aus einer gewissen Entfernung. Und als Gott hört man ja auch alles. Und ihr hört also, wie in Deutschland welche Gospel proben. Knapp daneben proben welche, die singen ziemlich ähnlich. Und dann hört man auf der anderen Seite der Erde noch welche singen. Und auch die singen ziemlich ähnlich… nur wilder. Etwas später singen plötzlich alle gleichzeitig, die wilderen und die braveren, an einem Ort. : in der Friedenskirche. Und es heißt ja: wo zwei oder drei… oder 400 oder 500 zusammen sind in seinem Namen, da ist er mitten unter ihnen. Er war schon bei den Proben dabei und er ist jetzt dabei und er ist wieder dabei, wenn ihr wieder nach Hause fliegt und nur zu zweit oder zu dritt oder gar allein singt. Und wenn wir einzeln weiterproben, hört er uns.

Wie es mit Abschieden ist: sie werden zunächst immer langsamer, die Momente werden ausgedehnt, um der Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Noch ein Getränk, noch ein Gespräch, noch eine Rede, noch eine Umarmung unter Tränen (normaler für Chilenen, schwieriger für Deutsche). Bis die Zeit fast anhält. – –   Um dann für die letzten Augenblicke wieder Fahrt aufzunehmen: Mit dem Gepäck zur Metzstraße. Mit der U14 zum Bahnhof. Gleis 6, ach nein, Gleis 5… *knarz knarz* Lautsprecherdurchsage, jetzt doch Gleis 10. Zum Glück Rollkoffer. Der ICE 572 fährt ein. Gedränge. In den Zug. Koffergehieve. Beschleunigte Umarmungen. Beschleunigte Worte. Letzte beschleunigte Gesten zwischen sich schließenden Türen hindurch. Und um 17:26 Uhr rollt der Zug mit Kurs auf Flughafen Frankfurt aus. Bewunken von einem kleinen Abschiedskomitee. Begleitet von „La buena vida“-Melodien aus einem Saxofon. Durch die getönten Scheiben winken noch Chilenen. Im Spiegelbild der Scheiben winken die anderen.

Und draußen dreht sich die Zeit wie auf Geheiß normal weiter. Man hört schon die Montagsdemo und könnte meinen: Stuttgart atmet auf, es ist wieder Ruhe im Kessel, und endlich geht es wieder um das beruhigende „kleine halbe Prozent“ (s. Blog von Tag 4). Wahrscheinlicher ist aber, dass sie der Stadt, ja wenigstens (wenn es so etwas gibt) dem Unterbewußtsein der Stadt fehlen: die Töne, die jeden Abend von der Friedenskirche ausgingen. Die lauthalsige Euphorie der Reisegruppe. Das einladende Miteinander. Aber das Unterbewußtsein wäre nicht Unterbewußtsein, wenn es nicht auch spüren würde: da schwingt ein lautes „Bis zum nächsten Mal!“ in der Luft.

 

 

Im Bild:  Tschüss! = Chao!